Menschenrechte der Frauen
Verletzung ihrer Menschenrechte
Olympe de Gouges

Janice Raymond

Zehn Jahre Anti-Prostitutions-Gesetz:
Warum Schweden die Nachfrager/Frauen-Käufer bestraft

In Zeiten, da einige Regierungen versuchen – und damit kläglich scheitern – Frauenhandel zu bekämpfen, indem sie Prostitution legalisieren, ragt Schwedens innovative Politik mit dem beispielhaften Modell einer Gesetzgebung heraus, die die Prostitution durch Bestrafung der Männer bekämpft und Schutzmassnahmen für die Frauen ergreift.

Als in den 1990er Jahren der Frauenhandel in zunehmendem Maße ein globales Problem wurde, warf Schweden einen kritischen Blick auf seine Prostitutions-Politik: Es kam zu dem Schluss, dass ein Land das Problem des Frauenhandels nicht bekämpfen kann, ohne die Nachfrager nach Prostitution zu bekämpfen. 1999 nahm die schwedische Regierung historisch-innovative Gesetze an, die es illegal/kriminell machen, sexuelle Dienste zu kaufen.

Diese Gesetzgebung beruht auf dem öffentlichen Konsens, dass das System der Prostitution Gewalttätigkeiten gegen Frauen fördert, weil es sexuelle Ausbeutung normalisiert, offiziell zur Norm erhebt. Daraus folgt, dass es in einer Gesellschaft, die bestrebt ist, die Gleich-berechtigung der Frauen zu fördern, für Männer unakzeptabel ist (sein muss), Frauen zwecks sexueller Ausbeutung zu kaufen, gleichgültig, ob das als „sexuelle Wahl“ oder „sex work“ propagiert und gerechtfertigt wird.

Schweden bestraft nicht die Frauen in der Prostitution, sondern macht ihnen materielle Hilfsmittel zugängig. Statt Bestrafung der Opfer zielt das Gesetz auf die anonymen Täter, die Nachfrager, Männer, die Frauen und Mädchen zwecks Prostitution kaufen.
Der Schlüssel zur Effektivität des Gesetzes liegt nicht so sehr in der Bestrafung dieser Männer, die Strafen sind niedrig, (Nach zehn Jahren werden nun härtere Strafen verlangt, H. S.) sondern in der Aufhebung der Anonymität der Frauenkäufer, da ihre Verbrechen öffentlich werden. Seither fürchten Männer, dass sie als Prostitutionsbenutzer bekannt werden.

Schwedens Erfolg

Im Juli 2010, zehn Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes, veröffentlichte die schwedische Regierung eine Auswertung. In dem Rapport ist festgehalten, dass noch sehr viel getan werden muss, doch auch, dass die bisherigen Ergebnisse überwiegend positiv sind:

Die Polizei, anfangs kritisch, bestätigt nun, dass das Gesetz wirksam ist, dass es Organisatoren und Propagandisten für Prostitution entmutigt, besonders Frauenhändler, die jetzt in Schweden ein intolerantes soziales Klima für den Verkauf von Frauen und Mädchen zwecks sexueller Ausbeutung antreffen.

Zufolge des National Criminal Police Report, ist Schweden das einzige Land in Europa, in dem Prostitution und Frauenhandel während der letzten zehn Jahre nicht zugenommen haben.
Schwedens Fortschritte stehen in scharfem Kontrast zu den schrecklichen Zuständen in anderen europäischen Ländern, deren Regierungen Zuhälter zu berufsmässigen Bordell-Unternehmern und sonstigen Zweigen der Prostitutionsindustrie gemacht haben.

Das Scheitern der Politik der Legalisierung der Prostitution

Im Jahre 2002 hat die deutsche Regierung die Beschaffer von Prostituierten entkriminalisiert, d. h. Zuhälter legalisiert, die Einrichtung und Betreibung von Bordellen und sonstigen Prostitutionsbetrieben gesetzlich erleichtert, das Reklame-Verbot für Prostitution aufgehoben und „Verträge“, einschließlich Sozialversicherung für Frauen in Prostitutionsbetrieben vorgeschlagen.

2007 wurde in einem Regierungsbericht festgestellt, dass das deutsche Prostitutionsgesetz
die Bedingungen für Frauen in Prostitutionsbetrieben weder verbessert noch ihnen geholfen hat, diese zu verlassen. Das Gesetz ist auch hinsichtlich seines Ziels gescheitert, „die Zahl der Verbrechen in Prostitutionsbetrieben zu reduzieren“. Und schließlich wird in dem Bericht festgehalten, dass „Prostitution nicht als normales Mittel der Sicherung des Lebensunterhalts zu betrachten ist“.

Die Regierung entwirft nun eine verwässerte Version des schwedischen Gesetzes, das lediglich die Bestrafung der Käufer von Zwangsprostituierten oder Opfern der Frauenhändler plant. - Da stellt sich die Frage: Warum sollte ein Frauenkäufer eine gekaufte Frau fragen, ob sie ein Opfer ist – und warum sollte sie es ihm sagen?

In den Niederlanden sind die Folgen der Legalisierung ebenfalls schrecklich. Zwei Reports, 2007 und 2008, verkünden die offizielle Ernüchterung über die Folgen des Gesetzes von 2000, das Prostitution und Bordellbetriebe aller Art legal macht. Der von der Regierung in Auftrag gegebene Bericht Daalder (2007) stellte fest, dass die Mehrheit der Frauen in den Fensterbordellen immer noch der Kontrolle der Zuhälter unterworfen ist und dass sich ihr „Wohlbefinden seit 2001 noch verschlechtert hat, und zwar hinsichtlich aller gemessenen Faktoren“.

Ein nationaler Polizei-Bericht (2008) spricht eine deutlichere Sprache: „Die Idee, dass ein sauberer, normaler Geschäftszweig entstanden ist, ist eine Illusion…“.

Wie die Deutschen entwerfen die Niederländer jetzt ein verbessertes Gesetz, das die Bestrafung der Frauenkäufer vorsieht, aber nur diejenigen, die Frauen „ohne Lizenz“ zwecks Prostitution kaufen. Dennoch, es ist ein indirektes Zeichen dafür, dass das Konzept der Kriminalisierung, der Bestrafung der Nachfrager/Käufer an Boden gewinnt.

Das Skandinavische Modell

Die gescheiterte Politik der Legalisierung der Prostitution in Europa führt dazu, dass das Schwedische Modell 2009 zum Skandinavischen Modell wurde, als Norwegen den Kauf von Frauen und Mädchen zu Prostitutionszwecken gesetzlich verbot. Schon im ersten Jahr nach Inkrafttreten des Norwegischen Gesetzes zeigten sich sofortige und dramatische Ergebnisse.

Ein Bericht der Gemeinde Bergen schätzt, dass die Zahl der Frauen in der Prostitution auf Straßen um 20 % und in Gebäuden um 16 % zurückgegangen ist. Die Polizei behauptet, dass die Reklame für Prostitution 60 % weniger geworden ist. Effiziente Kontrolle der Telefonnummern von Nachfragern, die auf solche Anzeigen/Reklame reagieren, setzt die Polizei in die Lage, die Frauenkäufer zu identifizieren und anzuzeigen und überdies weitere Kreise von kriminellen Gruppen aufzuspüren, die Kinderprostitution, Pornographie und Drogenhandel betreiben. In Oslo berichtet die Polizei ebenfalls, dass sie viel weniger Nachfrager/Frauenkäufer auf den Straßen antrifft.

Im gleichen Jahr wie Norwegen verabschiedete Island ein strenges Gesetz, das die Käufer von sexuellen Diensten kriminalisiert.

Finnland hat schon 2004 eine abgeschwächte Version des Skandinavischen Modell-Gesetzes übernommen.

Übrig ist Dänemark, dass außerhalb steht, weil bis jetzt noch ohne Gesetz, das die Nachfrager nach Prostitution verfolgt.

Kriminalisierung und Strafverfolgung erfordern Arbeit. Die Polizei berichtet, dass es für Zuhälter und Frauenhändler weniger profitabel wird, ihre Geschäfte in Ländern zu etablieren, wo ihre „Kunden“ fürchten, ihre Anonymität zu verlieren: Weniger Profit bedeutet weniger Prostitution und weniger Gewalttätigkeiten gegen Frauen.

Nicht allein in Europa, sondern auch auf den Philippinen und in Korea machen die Prostitutions-Politiker eine Kehrtwende – weg von der Legalisierung hin zur Kriminalisierung der Nachfrager/Frauenkäufer.

Die Vereinten Nationen haben ihren Friedenstruppen und ähnlichem Personal verboten, Frauen zwecks Prostitution zu kaufen, auch dann, wenn das nach Gesetzen der Länder, wo sie Dienst tun, erlaubt ist.

Länder, die die sexuelle Ausbeutung von Frauen und Mädchen bekämpfen wollen, können nicht die Zuhälter als legale Prostitutions-Unternehmer zulassen, sondern müssen gegen sie und die Frauenkäufer Strafgesetze erlassen (und Strafverfolgung betreiben).

Janice G. Raymond ist Professorin emerata für Frauen-Studien und Ethik der Medizin an der University of Massachusetts (Amhurst) und Mitdirektorin der Coalition Against Trafficking in Women (CATW). Eine frühere Version dieses Artikels ist ursprünglich auf www.portside.org erschienen.

(Copyright bei Janice G. Raymond)
Übersetzung aus dem Amerikanischen: Hannelore Schröder (Leipzig 2011);
Copyright an der deutschen Übersetzung bei Hannelore Schröder

 


© Hannelore Schröder, Leipzig 2011

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